Dienstag, 3. Mai 2022

Konflikte

Wir leben in einer Zeit der großen, globalen Probleme. Klimawandel, Flüchtlingsbewegungen, Pandemie und ein Krieg in Europa mit dem Potential zum 3. Weltkrieg. All das ist in den Medien und Alltagsgesprächen allgegenwärtig. Meine Probleme und mein Alltag sind etwas kleiner, etwas banaler und sind trotzdem ein Abbild dessen, was wir auf der großen Bühne des Weltgeschehen sehen können.

Ich bin jetzt seit 1,5 Jahren Pastor in meiner erster Gemeinde. Ich will Orientierung geben und merke an vielen Stellen, wie ich selbst noch nach Orientierung suche. Da habe ich mich an meinem alten blog erinnert und will diesen Ort hier nutzen, um meine Gedanken zu sortieren. Zwei große Themen, die mich in den letzten 1,5 Jahren beschäftigt haben sind "Hilflosigkeit" und "Konflikte".

Vorarb ein kurzer Hinweis an meine wenigen Leser: Auch wenn der Post hier sehr ermüdend klingen mag, bin ich sehr gern hier. Ich liebe meine Gemeinde und meine Arbeit hier.

In meiner Gemeinde gibt es keinen großen Konflikt. Die Gemeindeversammlungen verlaufen friedlich und es gibt keine erkennbaren Lagerbildungen. Dafür bin ich dankbar, weil ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. Zum Thema Corona haben wir ein sehr breites Spektrum an Meinungen. Wir haben Menschen, denen alle unsere Regeln viel zu locker sind und Menschen, die sich nicht impfen lassen, weil in der Offenbarung stehe, dass man das nicht machen solle. Die gesetzlichen Vorgaben haben viel Raum für Interpretation gelassen und so haben wir uns entschieden bei unserem Hygienekonzept nicht den Gesundheitsschutz, sondern den sozialen Frieden am meisten im Blick zu behalten. So konnten wir in einem Balanceakt aus schrittweisen Verschärfungen/Lockerungen und gut dosierten Hinweisen auf ein rücksichtsvolles Miteinander den großen Gemeindekonflikt verhindern.

Parallel zu den unterschiedlichen Corona-Meinungen lernte ich die Familienkonstellationen in meiner Gemeinde kennen. Da sind extrem dominante Senioren, die hohe Erwartungen an das kirchliche Engagement ihrer Kinder haben. Manche erfüllen diese Erwartungen, andere sind bewusst in andere Städte weggezogen, weil sie den Druck ihrer Eltern nicht mehr ausgehalten haben. So gibt es Kummer, um die ungläubigen Kinder gepaart mit Enttäuschung und Liebesentzug. Wir haben Ehrepaare, die massive Ehekonflikte lösen konnte und offen von ihren Problemen erzählen. Wir haben Ehepaare die dermaßen zerstritten sind, dass man die Auswirkungen bis in die Enkelgenaration beobachten kann.
 

Die Anzahl an Scheidungen in unserer Gemeinde ist sehr gering. Einmal erzählte mir ein Vater sein Kind, wäre das einzige Kinder in der gesamten Schulklasse, deren Eltern nicht getrennt leben. Außerhalb der Gemeinde erlebe ich mindestens eine Scheidung pro Jahr in meinem Bekanntenkreis. Ich hasse Scheidungen.

Dann gibt es die ungelösten Konflikte von früher. Da hat irgendjemand vor zehn, zwanzig, dreißig, vierzig Jahren etwas verletzenden gesagt. Man konnte sich nicht versöhnen. Manche schaffen es immerhin noch den gleichen Gottesdienst zu besuchen .... andere nicht mal das.

An drei Tagen pro Woche arbeite ich mit Suchtkranken. Der Konsum hat neben der Gesundheit das Sozialverhalen massiv zerstört. Jeden Tag gibt es die gleichen ungelösten Streitthemen und die Beschwerden über die andere sind allgegenwärtig. Gleichzeitig ist man stolz darauf, wenn man sich von niemandem etwas sagen lässt und die allermeisten sind froh, wenn sie ihre Freizeit alleine verbringen können. Der Drang zur sozialen Isolation gehört zur Symptomatik der Suchterkrankung, erhöht aber die Gefahr eines Rückfalls. Die Mitarbeiter und ich haben somit die Aufgabe eine Gemeinschaft zu fördern, obwohl keiner der Betroffenen Gemeinschaft will und alle massiven Nachholbedaf in ihrem Sozialverhalten haben.

In der Leitung der Jugendgruppe haben wir alle wichtigen Begabungen für die Leitung einer Gruppe notwendig sind. Dummerweise zieht man nur nicht an einem Strang, Ideen werden nicht gemeinsam diskutiert und nie zusammen umgesetzt. Die älteren Jugendlichen (inkl. Leitung) zeigen keinerlei Interesse daran die jüngeren zu integrieren. Der Frust bei den Jüngeren ist mittlerweile so hoch, dass sie nicht mehr kommen.

Eine weitere Gruppe in der Gemeinde sind Flüchtlinge aus dem nahen Osten. Die Deutschkenntnisse sind sehr unterschiedlich in der Gruppe. Eine Gemeinsamkeit ist das Heimatland in der die Politik bewusst eine Kultur geprägt hat die Teamarbeit unmöglich macht. Ein Volk das nicht kooperieren kann, kann keine Revolution organisieren. Neid, Mobbing und Lästern wirken wie ein langsames Gift, dass man leicht übersieht.


Für mich sind all diese Konflikte ein typisches Mekrmal für unsere Gesellschaft. Wir entfremden uns zunehmend und haben verlernt so zu streiten, dass wir uns danach versöhnen können. Streit ist an sich nichts schlechtes. Jesus hat sich auch immer wieder gestritten. Dennoch ist der Kern des christlichen Glaubens die Versöhnung. Gott versöhnte die Welt mit sich (2. Kor 5,19) und jene, die sich für den Frieden einsetzen, werden Kinder Gottes genannt werden (Bergpredigt).

Ich will an das Vater-Unser erinnern. Ein Gebet in dem wir um das Selbe Maß an Vergebung bitten, die wir unseren Mitmenschen zugestehen. Dieses Gebet gibt mir Orientierung. Jesus hat uns dieses Gebet gegeben. Es ist der Jesus, der uns zuerst vergeben hat. Es ist der Jesus, der am Kreuz hing und betete "Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun."

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