Letzte Woche war die schwerste meines bisherigen Lebens. Auf
unserer Hochschule gibt es ein Mentorensystem unter den Studenten. Mein Mentor
ist drei Jahre älter als ich, verheiratet und Jahrgangssprecher in dem Semester
über mir. In den zwei Jahren, die wir uns nun kennen ist aus der
Mentorenbeziehung eine tiefe Freundschaft geworden.
Morgen werde ich auf seine Beerdigung gehen.
Vor zwei Jahren kannte ich gerade einmal seinen Namen und
wusste, dass er zu den wenigen Studenten hier gehört, die älter sind als ich. Ich
weiß noch wie ich ihn fragte, ob er mein Mentor werden wolle. Er fragte, ob es
etwas Akutes gebe über das ich sprechen wolle. Ich verneinte. Mir ging es gut.
Aber man weiß ja nicht ob das so bleiben wird. Und wenn es mir dann mal
schlecht geht, will ich vorbereitet sein. Ich will jemanden zum Reden haben und
nicht erst dann anfangen mir jemanden zu suchen.
Es wirkt wie bittere Ironie. Jetzt wäre das erste Mal
gewesen, dass ich jemanden gebraucht hätte.
Als ich die Todesnachricht am Samstag hörte, wollte mein
Verstand nicht verstehen, was ihm eben mitgeteilt worden war. Ich ging zurück
an meinem Arbeitsplatz in der Bibliothek. Dabei passierte ich den Tisch meines
Mentors. Bücher und Laptop lagen dort. Es sah so aus, als ob er gerade kurz weg
war um sich einen Kaffee zu gönnen. Ich verstand noch nicht, dass diese
Bachelorthesis nie fertig werden würde.
Auf den Schock am Samstag folgte Trauer am Sonntag. Ich traf
mich am Morgen mit seinem Semester. Mein Verstand begriff noch immer nicht was
geschehen war, aber mein Herz war überflutet von Trauer. Ich wusste, dass es
nun richtig war mich dieser Trauer zu stellen und mich ihr hinzugeben. Ich würde
mich dem stellen müssen. Am Mittag überlegte ich, ob ich meine Eltern oder
Freunde anrufen sollte, um zu erzählen was geschehen war, um zu erzählen wie es
mir ging. Allein bei dem Gedanken dies zu tun, brach mir die Stimme weg. Am
Nachmittag wurde ich krank.
Als ich am Montag beim Arzt war, um mich krankschreiben zu
lassen, musste ich aussprechen was geschehen war. Ich Es war wie ein erstes
Eingeständnis, dass das, was ich gehört hatte, tatsächlich real war. Im Laufe
der Woche folgten noch weitere Eingeständnisse dieser Art.
Wir trafen uns nun jeden Morgen um zu erzählen wie es uns
geht und miteinander zu beten. Das tat gut und half.
Mittlerweile habe ich seinen Tod akzeptiert. Die
Verarbeitung ist noch lange nicht vorbei, aber der Alltag hat mich wieder. Ich
habe viel nachgedacht und mich selbst ein Stückchen besser kennengelernt. Ich
werde noch lange an den 05.08.2017 und die darauffolgenden Tage denken.
Hätte ich vor zwei Jahren gewusst welche emotionalen Tiefen
ich durch den Beginn dieser Freundschaft entdecken würde… ich hätte nicht
anders gehandelt. Es war die Zeit wert.
Dinge die sich in mir verändert haben:
-Ich habe keine Angst vor Beerdigungen mehr. So
makaber es klingt. Ich freue mich darauf. Nicht weil ich froh bin, sondern weil
ich mich verabschieden kann. Für diese Gelegenheit bin ich dankbar.
-
- Ich habe keine Berührungsängste mit Menschen in
tiefer Trauer mehr – auch nicht, wenn es sich um Angehörige handelt.
-
- Ich fühle mich erneut bestärkt in der Priorität Familie
vor Gemeinde.
-
- Ich habe einen neuen Vorsatz getroffen: Wenn ich
einmal heiraten sollte, will ich mit meiner Frau darüber reden was passieren
soll, wenn jemand von uns vorzeitig stirbt.
Bizarres: Ich spiele seit ein paar Monaten ein
Onlinekartenspiel. Etwa alle 60 Spielstunden bekommt man eine von 16 Karten des
höchsten Seltenheitsgrades. In besagter Woche habe ich solche eine Karte
bekommen. Sie hatte den Namen „Tod“. Daraufhin habe ich das Spiel abgebrochen.
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