Es ist 10:00 morgens. Ich sitze etwas müde auf der Empore zusammen mit sieben, acht Anderen. Während der Begrüßung von vorne, kommt ein guter Freund, zusammen mit 2 anderen Godibesuchern, die Treppe hinauf. Ich hab ihn jetzt schon 3 Wochen nicht mehr gesehen und weiß gar nicht was gerade so bei ihm los ist. Er scheint heute mal einen seinen guten Tage zu haben. Mit seinem typischen grinsen auf dem Gesicht begrüßt er nach und nach jeden auf der Empore. Mit gedämpfter Stimme tauscht man ein paar scherzende Worte aus, als das erste Lied angesagt wird. Irgendein Lied von 1984. Das Lied würde sich in einer Kapelle mit hohen Steinwänden richtig gut anhören. Hier ist die Akustik grottig und ich habe das Gefühl man sinkt konstant einen Tick zu langsam. Ich habe wie jeden morgen leichte Halsschmerzen und kann gar nicht richtig mitsingen. Ehrlich gesagt habe ich auch gar keine Lust.
Wesentlich lieber würde ich mich mit meinen Sitznachbarn unterhalten und sie fragen, wie es ihnen geht und was sie die letzte Woche so gemacht haben. Mein Versuch den Gottesdienst ernst zu nehmen hindert mich allerdings den Mund auf zumachen. Ich kann aber nicht leugnen, dass die Fragen an meine Sitznachbarn in mir brennen und ich im Moment nichts lieber machen würde als mit ihnen zu quatschen.
Unser verspäteter Gast hat da weniger Hemmungen und schafft es während des gesamten Gottesdienstes keine 2 min am Stück den Mund zu halten.
Es folgen Ansagen. Zwei ältere Gemeindemitglieder, deren Namen mir nichts sagen, liegen im Krankenhaus. Der eine wenn auch sachliche Moment, der der Befindlichkeit unserer Mitmenschen gewidmet ist. Danach werden alle alten Menschen wieder mal mit allen Kranken auf eine Eben gesetzt. Eine Beleidigung für die Alten, wie ich finde.
Nach einem kurzen Werbeblock des Büchertisches (Ich kenne keine Freikirche ohne Büchertisch. Lesen scheint etwas sehr frommes zu sein. Die Geschwister die das machen hab ich auch wirklich gern, aber wenn hat Jesus nochmal aus dem Tempel gejagt?) singen wir noch ein Lied. Es erinnert an das erste. Der klägliche Gesang unten toppt das unsichere Brummen auf der Empore, diesmal um Längen.
Die Predigt beginnt. Es kommt mir vor wie eine Ansammlung nicht ganz fassbarer Richtigkeiten dessen Alltagstauglichkeit mir irgendwie entgeht.
Ich will mit meinen Freunden quatschen! Ich sitze bereits über eine halbe Stunde neben ihnen und weiß immer noch nicht was sie bewegt!!!
Nach der Predigt steht eine Gebetsgemeinschaft an. Ich habe kein Problem damit laut zu beten. Allerdings kann ich nicht einfach so damit beginnen. Ich habe noch nicht das Gefühl das Gott mir zuhört. Nicht das Gefühl, dass ich hören kann was Gott mir sagen will. Nicht das Gefühl zu wissen für was ich beten soll. Nicht die Gewissheit, dass meine Gebete erhört werden.
Um dahin zu kommen bräuchte ich eine halbe Stunde oder länger.
Nach drei Minuten schließen wir mit dem Vater Unser. Ein Gebet, dass mir sehr wichtig ist. Da steckt pure Kraft drin. Heute komme ich mir selbst nicht ganz echt vor, als ich die Verse wie eine Maschine herunterleier.
Es folgt ein Lied, dass ich mag, die Kollekte und der Segen. Innerhalb von 3 Sekunden wir aus der schweigenden, starren Masse die geordnet, ernst und nachdenklich nach vorne guckt ein großer, lebendiger Ameisenhaufen. Alles bewegt sich, alles redet miteinander. Jetzt weiß ich warum wir uns Familie nennen.
Nachwort zur Geschichte:
Es ist eine Spannung die mir überall in Gemeinde begegnet. Was machen wir? Erfüllen wir den Zweck des Treffens (beten, singen, in der Bibel lesen) oder schieben wir das beiseite und geben dem Bedürfnis nach, am Leben des anderen Teil zu haben und das eigene Leben mit ihnen zu teilen.
Ich möchte nicht glauben, dass das ein Widerspruch sein muss, dennoch kommt es mir immer wieder so vor.
2008 konnte man auf diesem blog einen Dialog zwischen mir und Mentalrover verfolgen an dessen Ende die Erkenntnis stand, dass ein Gottesdienst eine Art feierlicher Zeremonie gleichen sollte in der es darum geht Gott zu ehren.
Ich entsinne mich an einen einzigen Gottesdienst innerhalb der letzten 12 Monate dem ich eine feierliche Atmosphäre zuschreiben würde. Ich entsinne mich an keinen Gottesdienst der dazu beigetragen hat Gott zu begegnen. Ich entsinne mich an einen Gottesdienst der dazu beigetragen hat Jesus in meinen Geschwistern zu sehen. Ich entsinne mich nicht an eine Begeisterung für Jesus oder sein Reich. Ich entsinne mich an Vorwürfe, nicht fromm genug zu sein. Ich entsinne mich an viele Momente in denen ich mich leblos gefühlt habe. Ich entsinne mich an Momente an denen ich dachte wir hätten vergessen, dass wir einen großen Gott haben. Ich entsinne mich wie ich langsam resigniert habe und begann mich damit abzufinden. Ich entsinne mich an Momente in denen Gott mir gezeigt hat, dass ER uns/mich nicht aufgegeben hat und immer noch zu uns steht und zu uns redet.
Meine idealistischen Ansprüche an Gott, mich und die Gemeinde haben sich nicht geändert. Ich bin gnädiger mit meinen Geschwistern geworden und gleichgültiger gegenüber Problemen. Die Hoffnung wirklich etwas zu verändern habe ich aufgegeben. Was wäre ich ohne einen gnädigen Gott?
Montag, 7. Februar 2011
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