Donnerstag, 26. August 2010

Nicht fromm genug

Wir haben zur Zeit einen Jugendrefent in unserer Gemeinde angestellt. Heute haben wir uns getroffen um ein wenig über das kommende Quartal zu reden.

Dabei ist er auf einen Punkt gestoßen über der mich schon vor etwa ein (oder zwei?) Jahren beschäftigt hat. Der Gedanke das wir in unserer Gruppe mehr über unseren Glauben reden sollten. Ich hatte diesen Gedanken für mich schon wieder abgehackt, wurde aber nun wieder darauf hingewiesen.

Es ist schon komisch. Der ganzen Gruppe geht es gut, alle sind glücklich, niemand vermisst was - außer die Mitarbeiter.

Stellt man sich die Frage, ob etwas nicht in der Jugend getan wird, aber getan werden sollte, kommt man automatisch zu dem Zweck der Gruppe. Wofür ist die Gruppe da? Was ist ihr Ziel? Nun das ist bei uns recht einfach: Gemeinschaft

Wenn ich unsere Leute frage was sie sich wünschen und warum sich kommen bekomme ich Antworten wie: Spaß haben, chillen und mit Christen Gemeinschaft haben. Ein kleines wenig "geistliches Programm" sollte auch nicht fehlen.

Der Effekt, den wir mit der Gruppe schaffen gefällt mir sehr. Die Jugend wird für eine Art zu Hause, einen Ort an dem man immer willkommen ist, die Menschen nett sind und für mich interessieren.

Eigentlich kein Grund nicht glücklich zu sein.

Dennoch taucht der Gedanke auf, man müsse mehr "geistlichen Austausch", mehr Gespräch über den Glauben, mehr singen, mehr beten, mehr Bibel lesen, mehr nach dem Glaubensleben des anderen Fragen, mehr Andachten hören und mehr Themen bearbeiten?

Woher kommt dieser Eindruck?

Ein Möglichkeit wäre, dass es einfach für eine freikirchliche Gruppe unüblich ist all diese Punkte so wenig Gewicht zu verleihen. Denke aber nicht, dass das des Rätsels Lösung ist.
Mittlerweile bin ich mir recht sicher, dass sich das hinter dem obigem Gedanken versteckte Bedürfnis sich nicht durch mehr geistliches Programm stillen lässt.
Die Vorstellung jede Woche ein Problem eines Gruppenmitgliedes behandeln zu können oder ein Thema zu finden, dass gerade für eine der anwesenden Person relevant ist und zu einer Veränderung des Lebensstils führt ist jenseits aller Realität.
Ich habe auch noch nie von einer Gruppe gehört in der das passiert sein soll.

Tiefgehende Probleme werden in vertrauten Beziehungen besprochen und nicht in einer Gruppe. Lebensweisende Themen werden zum richtigen Zeitpunkt von Heiligen Geist angesprochen wenn man IHm den zuhört.

Es bliebt nur die Möglichkein der Gruppe ein Thema vorzusetzten, dass sie zu behandeln haben.
Aber gerade das möchte ich vermeiden. Ich möchte Angebote machen, keine Vorgaben. Es kommt mir so vor, als ob der Gruppe etwas übergestülpt wird. Zu oft hatte ich selbst das Gefühl etwas vorgesetzt zu bekommen, das mich gar nicht interessiert.
Und gerade dieser Eindruck von nicht-echt-sein oder Irrelevantz der Themen scheint die Menschen am meisten zu stören, die ich am meisten in der Gruppe haben möchte.

Die meisten Bücher mit Themenvorschlägen oder vorgefertigten Themeneinheiten triefen so vor Frommigkeit, dass man sie nicht schief halten darf weil sonst die Frommigkeit sonst rausläuft. Ich bin mittlerweile richtig allergisch dagegen.


Zu denken das Glaubensleben unserer Jungs und Mädels hinge schief, weil sie nicht vor Vorschlägen an frommen Themen sprudeln und man mit ihnen auch über andere Themen als über Gott reden kann halte ich für einen Fehlschluss.

Redet man mit ihnen, so kann man feststellen das alle von ihnen dem Glauben eine hohe Bedeutung in ihrem Leben geben. Alle auf ihre Weise ihren Weg mit Gott gehen oder suchen. Spricht man alltagsrelevante Themen an so prüfen sie sofort, ob sie etwas an ihrem Leben ändern sollten. Es spielt sich halt nur nicht im öffentlichen Rahmen der Jugend ab. (Ähnlich wie die Diakonie in unserer Gemeinde)


Dennoch bleibt bei mir das Gefühl das etwas fehlt. Dieses Gefühl lässt sich nicht wegdiskutieren. Dieses Gefühl ist der Ursprung für den Wunsch nach mehr Austausch über den Glauben.
Was also genau fehlt?

Ich habe überlegt wofür Gemeinschaft der Gläubigen da ist und bin zu folgenen Schluss gekommen: Zur Gemeinschaft gehört es, sich gegenseitig im Glauben zu ermutigen.

Ich merke, dass diese Lösung stimmt. Gleichzeitig merke ich, dass ich nicht wirklich weiß, was ich mir unter "im Glauben ermutigen" vorstellen soll.


P.S. Wir schlagen vor in Zukunft am Ende der Jugend immer füreinder zu beten. Wahrscheinlich nicht die Lösung der Problems aber ein Schritt in die richtige Richtung.

3 Kommentare:

MentalRover hat gesagt…

"Es spielt sich halt nur nicht im öffentlichen Rahmen der Jugend ab."

Die Erkenntnis, dass die ungeplanten, spontanen Gespräche am Rande mehr bringen und intensiver sind, als die geplanten Plenarveranstaltungen, ist nicht neu.
(Siehe dazu auch mein Blog-Post: Willow-Creek entdeckt zwanzig Jahre alte Konferenzform.

Der Effekt in der Jugend ist meiner Ansicht nach ähnlich. Die Frage ist meiner Ansicht nach, wie denn diese Situation gefördert werden kann.

Wie wird Raum und Atmosphäre, quasi ein Nährboden, für solche spontanen persönlichen Gespräche geschaffen?

Inwieweit sind ggf. gemeinsame Gruppenthemen vorbereitend dafür (Impuls), inwieweit hinderlich (es bleibt keine Zeit, kein Raum für spontane Begegnung).

Für die Frage nach "Ermutigung im Glauben" kann die Gegenfrage wichtig sein: Wo ist denn Entmutigung zu finden, die dann Ermutigung nötig hätte?


Wie findet Ermutigung im Glauben statt? Meine persönliche Sicht ist, dass das etwas mit dem Bereich Seelsorge zu tun hat, und die wiederum ist recht individuell auf das Gegenüber abgestimmt.

Wie findet Ermutigung im Glauben statt? Die Antwort mag für jede Person und jedes Problem anders aussehen. (Hilft das jetzt irgendwie weiter?)

Anonym hat gesagt…

Ich habe festgestellt, dass immer dann mein Glaube wächst, bzw. "frommer" wird, wenn ich beginne, anderen zu helfen.
Es führt mich selbst zu mehr Nächstenliebe, wenn ich einen Teil meiner Zeit in Taten der Nächstenliebe eingebe.
Vielleicht ist das ja ein Punkt: Nach "Draußen" gehen und anderen helfen. Wer können die "Anderen" sein? Was kann "Draußen" bedeuten?
Ich denke, in meiner nächsten Umgebung befindet sich der Nächste, der mich braucht.
Ich denke, "Draußen" ist da, wo Jesus nicht so präsent erscheint.
Aber: Vielleicht ist er ja gerade da am präsentesten?!
Wolle Willeke

MindRevolution hat gesagt…

@MentalRover: Ich hatte deinen Artikel schon gelesen und diese Erkenntnis war auch damals für mich nicht neu. Dennoch ist es nicht immer leicht eine Gruppe zu leiten und die wichtigen Gespräche nicht mitzubekommen, weil sie oft am Rande außerhalb der eigenen Wahrnehmung stattfinden. Es ist eine Art Vertrauen in die Gruppe das ich erst lernen musste.
Dieser Artikel ist ja entstanden weil jemand anderes sich mit eben diesem nicht-wahrnehmen ein Problem hat. (sie Einleitung)

Die Frage nach einer passenden Form um solche Gespräche und Seelsorge untereinander möglich zu machen begleitet mich eigentlich ständig.

Trotzdem musste ich über deinen Kommentar in den letzten Tagen viel nachdenken. Ich glaube ich sollte Andachten mehr als Impuls für Spontanität ansehen und nicht als Konkurenz.
In dem Willow Creek Beispiel gab es ja auch erst einen Tag vorgesetztes Programm der dann am Zweiten in der Spontanität besprochen wurde. Da muss ich wohl ein wenig an meinem Blickwinkel feihlen.

Der Frage ob man Entmutigung in unserer Gruppe wahrnimmt möchte ich im kommenden Quartal nachgehen.

Hat also geholfen^^

@anonymer Wolle Willeke
Die Erfahrung mache ich auch immer wieder. Obwohl ich irgendwie nicht sonderlich viel daraus lerne und in meinen Ferien, wenn ich viel Zeit hätte in Beziehungen und Nächstenliebe zu investieren, mehr Zeit mit mir und meinem PC verbringe. Foglich sind das meine üblichen geistlichen Durststrecken. Ich hoffe wir werden in der nächsten zeit mit der Jugend mehr nach "draußen" gehen.
Als ich deinen Kommentar gelesen hatte musste ich an ein schönes Buchzitat denken "Wir hatten ja keine Ahnung, dass Gott sich mit Vorlieben in schlimmen Gegenden wie Kensington und Nazareth zeigt."