Freitag, 6. Mai 2022

Wie kommt man von Gewalt zum Frieden?

In meinen beiden letzten Beträgen habe ich von den dominanten Schatten meines Lebens berichtet, die mich umtreiben. Der Krieg in der Ukraine ist in meinem Alltag, wie ein permanentes Geräusch im Hintergrund. Manchmal nehme ich es deulich wahr und manch geht es im Lärm meines Lebens unter. Da ist mal ein Nachmittag an dem ich Gemeindemitgliedern helfe eine paar Möbel für urkainische Flüchtlinge in den 4. Stock zu tragen. Da sind Iraner, die ihr Wohnzimmer in ihrer Sozialwohung als Unterkunft für Ukrainer anbieten. Da ist das monatliche Friedensgebet in der Gemeinde, bei dem u.a. Erfahrungen und Sorgen ausgetauscht werden. Da sind Menschen helfen wollen und/oder sich Sorgen machen.

Jeder hat eine Meinung zu dem was in der Ukraine geschieht.

Fast jeder hat eine klare Haltung, was man jetzt tun sollte.

Meine Haltung ist momentan nicht so klar. Ich sehe wie wir scheitern die kleinen, alltägliche Konflikte zu lösen und staune wer plötzlich alle Experte für die großen Konflikte wird. Die Diskussion in den Medien und der Ruf nach größeren, schnelleren Sanktionen, sowie größeren Waffen schien bis zu dem offenen Brief ohne Gegenstimme. Unabhängig von dem Inhalt des Briefes fand ich die anschließenden Diskussionen in den Talkshows sehr ernüchternt. Da Treffen unsere "Experten" in Form von einflussreichen Menschen unserer Gesellschaft aufeinander, um über das Ende eines Konfliketes zu debatieren und hören sich nicht zu. Beide Seiten der Diskussionen müssen ständig wiederholen wie furchtbar sie das Elend in der Ukraine finden, weil der andere ihnen unterstellt dieses Elend nicht ernst zu nehmen. Permanent werden dem anderne die Worte im Mund umgedreht. Permanent werden dem anderen Forderungen unterstellt, die nie ausgesprochen wurden.

In der Bergpredigt sagt Jesus "Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen." Ich wünsche mir, dass wir Christen diesen Titel "Gottes Kinder" verdienen, weil wir Friedenstifter sind. Mir scheint allerdings, dass wir in diesem Gebiet kein besonders gutes Bild abgeben. Wie schön wäre es, wenn wir Christen als Expeten für Friedensstiftung etwas kontruktives zu dieser niveulosen Diskussion beitragen könnten.

Im Februar habe ich mich oberflächlich mit ein paar Gesprächstechniken auseinandergesetzt, die bei zerstrittenen Konfliktparteien einsetzt. Als kleine Filmempfehlung an dieser Stelle möchte ich auf "Die Wunderübung" hinweisen.
Ein Krieg hat allerdings eine völlig andere Dimension. Der Berg an Trauer, Wut und Schuld ist deutlich höher und wächst deutlich schneller. Dazu ist das Beziehungsflecht durch die Menge der Akteuere deutlich komplizierter.

Mir scheint eine gute Ausgangsfrage zu ein, wie wir das Wachstum dieses Berges möglichst schnell bremsen kann und gleichzeitig eine Postion erreicht, an der man diesen Berg abbauen kann.

Ich merke dabei, dass es mir an guten historischen Vorbildern fehlt. Wo haben Kriege in einer Form geendet, wie wir es uns heute für die Ukraine wünschen würden? Mit Martin Luther King oder Ghandi haben wir beeindruckende Beispiele, wie man mit Mut, Leidensbereitschaft und Klugheit nachholtig gegen hasserfülte Gewalt vorgehen kann. Beide waren aber nicht in einem Kriegsszenario.



Dienstag, 3. Mai 2022

Macht- und Hilflosigkeit

Triggerwarnung: Ich schreibe hier über meine Erfahrungen als Seelsorger. Manche Menschen leben in so einer Dunkelheit, dass es angesichts von Leid und Hoffnungslosigkeit niemanden gibt, der es in der Gemeinschaft mir solchen Lebensschicksalen aushält. Dann ist die einzige Hilfe, die man geben kann,  einen Menschen in seiner Dunkelheit für eine Zeit lang nicht alleine zu lassen. Dabei muss man Aushalten das Leid eines Menschen nicht wegnehmen zu können. Wenn du es in solch einer Dunkelheit nicht aushälst, solltest du diesen Post hier nicht lesen.

 

Manchmal werden die eigenen Wünsche erfüllt und man fragt sich, ob der Wunsch wirklich so gut war. Seit ich in diesem Blog schreibe, denke ich über das Konzept Gemeinde nach und wie ich mir Gemeinde vorstelle. Das Verhältnis von Politik und Kirche hat mich schon früh interessiert, war aber leider nie Teil meines Studiums. Meine Idee ist, dass eine Ortsgemeinde sich nicht in die Politik einmischt, aber durch ihr Wirken zu einem prägenden Faktor unserer Gesellschaft werden.
Jesus hat nie eine politische Partei gegründet oder ein politisches Amt bekleidet, sondern er hat den Menschen eine neue Art zu Leben gezeigt. Mit der Ausbreitung des Christentums im römischen Reich haben immer mehr Menschen ihre Art zu leben verändert und somit das gesamte gesellschaftliche Leben entscheident geprägt.
Diese Veränderung war so nachhaltig, dass heute in Europa die allermeisten Werte, christliche Werte sind - selbst bei Menschen, die nicht an Gott glauben.
Meine Idee von einer deutschen Gemeinde im 21. Jahrhundert ist eine Gemeinde, die durch ihr diakonisches Handeln eine gute Vernetzung in der eigenen Stadt hat. Ich denke Gemeinde also nicht als eine gesellschaftlich-isolierte Gruppe.

Die Gemeinde, in der ich jetz bin, kommt diesem Bild erstaunlich Nahe. Das freut mich, aber ich merke auch welche Schattenseiten in meinem Wunschtraum nicht eingeplant waren. An meiner (hochgeschätzen) Heimatgemeinde hat mich gestört, dass es kaum Verbidungen zu denen Ausgegrenzten und Schwachen unserer Gesellschaft gab. Jetzt habe ich diesen Kontakt und kann das Scheitern unseres Sozialstaates deutlicher erkennen als mir lieb ist.
In der Bergpredigt sagte Jesus: "Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden." Noch nie habe ich so unter dem Mangel an Gerechtigkeit und Barmherzig gehungert wie hier. Der Kontakt zu den Ausgegrenzten und Schwachen ist der Kontakt zu den Wehrlosen, Ausgebeuteten und Kranken.
Seelsorgegespräche und Krankenbesuche habe ich bereits in meiner Zeit als Jugendleiter gemacht, aber der permanente Kontakt zu Menschen deren Gesundheit stetig schlechter wird, malt mir deutlich die Grenzen unserer medizinischen Möglichkeiten vor Augen. Mit dem Tod freunde ich mich mit jeder Beerdigung etwas mehr an, aber leicht fällt es mir immer noch nicht. Ich kenne Pastoren, die Beerdigungen lieber machen als Hochzeiten, weil man bei den Beerdigungen viel näher an dem ist, was Menschen im innersten bewegt. - Ich bevorzuge Hochzeiten und das obwohl jede Hochzeit die schmerzlich Frage in mir aufwirft, ob ich jemals meine eigene Hochzeit feiern werde. Mal sehen, ob ich mich eines Tages an den Tod gewöhnen werde. Mit dem Tod endet immerhin das Leid. Das hat auch etwas befreiendes, wenn ich den Schmerz von kranken Menschen sehe. Ich würde gerne Leid und Schmerzen nehmen, doch diese Gabe habe ich nicht. So höre ich Geschichten von Operationen, gesundheitlichen Einschränkungen, Schmerzen und Medikamenten. Auf dem Heimweg denke ich dann manchmal an Mt 25,36. Dort sagte Jesus "Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht." Jesus sagte nicht "Ich bin krank gewesen und ihr habt mich geheilt." Ich will weiter besuchen, auch wenn es mir schwer fällt nicht heilen zu können.

Neben meiner Machtlosigkeit gegenüber Krankheit und Tod steht meine sehr kleine Macht gegenüber Folter und Verfolgung. Ich hatte bereits in meinem letzten Wohnort Lebensgeschichten von traumatisierten Menschen gehört. Menschen deren Leben über Jahrzehnte hinweg ein einziger Alptraum waren.  Heute schreibe ich "Bescheinigungen über kirchliche Aktivitäten" für deutsche Gerichte, die prüfen sollen, ob der christliche Glaube eines Menschen ein "identitätsprägendes Merkmal" ist. Es ist wie ein ganz schlechter Witz. Ich höre Geschichten von Steinigungen, Foltergefängnissen, ermodeten Verwandten, Erpressungen, Vergwaltigungen usw. und dann entscheiden atheistische Richter, dass der Glaube von hochaktiven Gemeindemitgliedern nicht authentisch genug ist, weil ihr Glaube keine absurden Vorurteile über das Christentum bestätigt und schicken Menschen zurück in diese Länder. Später fragt die Sachbearbeiterin beim Amt, warum die abgelehnte Asylbewerberin bei der Abschiebung ein Messer gezogen hat und ist beruhigt, weil die Frau mit dem Messer nur suizid begehen und nicht die Polizisten angreifen wollte. Jetzt beschäftige ich mich plötzlich mit Gesetzen, Anwälten und wie man Menschen auf Gerichtstermine vorbereitet, in denen ihre Abschiebung zum Foltertod beschlossen wird. 
Dann komm ich nach Hause und höre in den Nachrichten, dass Deutschland gerade anfängt mit diesen Ländern über Öl- und Gasimporte zu verhandeln, weil man sich nicht mehr von Diktaturen abhängig machen will.

Jetzt hab ich sie, die Nähe zu den Menschen außerhalb einer sozial-isolierten Gemeinde. Ich sollte vielleicht mehr darüber nachdenken, um was ich Gott bitte. Meiner eigenen Machtlosigkeit angesicht von so viel Ungerechtigkeit und Elend zu sehen ist extrem schwer. Letzte Woche hatten wir wieder ein Friedensgebet in unserer Gemeinde. Der Moderator erzählte davon, wie schwer es ihm fällt mit seiner Machtlosigkeit umzugehen und keine Lösungen zu haben. Seine Hoffnung war, dass unsere Hilfslosigkeit uns weiter in Gottes Arme treibt. Der Gedanke gefällt mir.

Konflikte

Wir leben in einer Zeit der großen, globalen Probleme. Klimawandel, Flüchtlingsbewegungen, Pandemie und ein Krieg in Europa mit dem Potential zum 3. Weltkrieg. All das ist in den Medien und Alltagsgesprächen allgegenwärtig. Meine Probleme und mein Alltag sind etwas kleiner, etwas banaler und sind trotzdem ein Abbild dessen, was wir auf der großen Bühne des Weltgeschehen sehen können.

Ich bin jetzt seit 1,5 Jahren Pastor in meiner erster Gemeinde. Ich will Orientierung geben und merke an vielen Stellen, wie ich selbst noch nach Orientierung suche. Da habe ich mich an meinem alten blog erinnert und will diesen Ort hier nutzen, um meine Gedanken zu sortieren. Zwei große Themen, die mich in den letzten 1,5 Jahren beschäftigt haben sind "Hilflosigkeit" und "Konflikte".

Vorarb ein kurzer Hinweis an meine wenigen Leser: Auch wenn der Post hier sehr ermüdend klingen mag, bin ich sehr gern hier. Ich liebe meine Gemeinde und meine Arbeit hier.

In meiner Gemeinde gibt es keinen großen Konflikt. Die Gemeindeversammlungen verlaufen friedlich und es gibt keine erkennbaren Lagerbildungen. Dafür bin ich dankbar, weil ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist. Zum Thema Corona haben wir ein sehr breites Spektrum an Meinungen. Wir haben Menschen, denen alle unsere Regeln viel zu locker sind und Menschen, die sich nicht impfen lassen, weil in der Offenbarung stehe, dass man das nicht machen solle. Die gesetzlichen Vorgaben haben viel Raum für Interpretation gelassen und so haben wir uns entschieden bei unserem Hygienekonzept nicht den Gesundheitsschutz, sondern den sozialen Frieden am meisten im Blick zu behalten. So konnten wir in einem Balanceakt aus schrittweisen Verschärfungen/Lockerungen und gut dosierten Hinweisen auf ein rücksichtsvolles Miteinander den großen Gemeindekonflikt verhindern.

Parallel zu den unterschiedlichen Corona-Meinungen lernte ich die Familienkonstellationen in meiner Gemeinde kennen. Da sind extrem dominante Senioren, die hohe Erwartungen an das kirchliche Engagement ihrer Kinder haben. Manche erfüllen diese Erwartungen, andere sind bewusst in andere Städte weggezogen, weil sie den Druck ihrer Eltern nicht mehr ausgehalten haben. So gibt es Kummer, um die ungläubigen Kinder gepaart mit Enttäuschung und Liebesentzug. Wir haben Ehrepaare, die massive Ehekonflikte lösen konnte und offen von ihren Problemen erzählen. Wir haben Ehepaare die dermaßen zerstritten sind, dass man die Auswirkungen bis in die Enkelgenaration beobachten kann.
 

Die Anzahl an Scheidungen in unserer Gemeinde ist sehr gering. Einmal erzählte mir ein Vater sein Kind, wäre das einzige Kinder in der gesamten Schulklasse, deren Eltern nicht getrennt leben. Außerhalb der Gemeinde erlebe ich mindestens eine Scheidung pro Jahr in meinem Bekanntenkreis. Ich hasse Scheidungen.

Dann gibt es die ungelösten Konflikte von früher. Da hat irgendjemand vor zehn, zwanzig, dreißig, vierzig Jahren etwas verletzenden gesagt. Man konnte sich nicht versöhnen. Manche schaffen es immerhin noch den gleichen Gottesdienst zu besuchen .... andere nicht mal das.

An drei Tagen pro Woche arbeite ich mit Suchtkranken. Der Konsum hat neben der Gesundheit das Sozialverhalen massiv zerstört. Jeden Tag gibt es die gleichen ungelösten Streitthemen und die Beschwerden über die andere sind allgegenwärtig. Gleichzeitig ist man stolz darauf, wenn man sich von niemandem etwas sagen lässt und die allermeisten sind froh, wenn sie ihre Freizeit alleine verbringen können. Der Drang zur sozialen Isolation gehört zur Symptomatik der Suchterkrankung, erhöht aber die Gefahr eines Rückfalls. Die Mitarbeiter und ich haben somit die Aufgabe eine Gemeinschaft zu fördern, obwohl keiner der Betroffenen Gemeinschaft will und alle massiven Nachholbedaf in ihrem Sozialverhalten haben.

In der Leitung der Jugendgruppe haben wir alle wichtigen Begabungen für die Leitung einer Gruppe notwendig sind. Dummerweise zieht man nur nicht an einem Strang, Ideen werden nicht gemeinsam diskutiert und nie zusammen umgesetzt. Die älteren Jugendlichen (inkl. Leitung) zeigen keinerlei Interesse daran die jüngeren zu integrieren. Der Frust bei den Jüngeren ist mittlerweile so hoch, dass sie nicht mehr kommen.

Eine weitere Gruppe in der Gemeinde sind Flüchtlinge aus dem nahen Osten. Die Deutschkenntnisse sind sehr unterschiedlich in der Gruppe. Eine Gemeinsamkeit ist das Heimatland in der die Politik bewusst eine Kultur geprägt hat die Teamarbeit unmöglich macht. Ein Volk das nicht kooperieren kann, kann keine Revolution organisieren. Neid, Mobbing und Lästern wirken wie ein langsames Gift, dass man leicht übersieht.


Für mich sind all diese Konflikte ein typisches Mekrmal für unsere Gesellschaft. Wir entfremden uns zunehmend und haben verlernt so zu streiten, dass wir uns danach versöhnen können. Streit ist an sich nichts schlechtes. Jesus hat sich auch immer wieder gestritten. Dennoch ist der Kern des christlichen Glaubens die Versöhnung. Gott versöhnte die Welt mit sich (2. Kor 5,19) und jene, die sich für den Frieden einsetzen, werden Kinder Gottes genannt werden (Bergpredigt).

Ich will an das Vater-Unser erinnern. Ein Gebet in dem wir um das Selbe Maß an Vergebung bitten, die wir unseren Mitmenschen zugestehen. Dieses Gebet gibt mir Orientierung. Jesus hat uns dieses Gebet gegeben. Es ist der Jesus, der uns zuerst vergeben hat. Es ist der Jesus, der am Kreuz hing und betete "Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun."

Mittwoch, 16. August 2017

Mentor



Letzte Woche war die schwerste meines bisherigen Lebens. Auf unserer Hochschule gibt es ein Mentorensystem unter den Studenten. Mein Mentor ist drei Jahre älter als ich, verheiratet und Jahrgangssprecher in dem Semester über mir. In den zwei Jahren, die wir uns nun kennen ist aus der Mentorenbeziehung eine tiefe Freundschaft geworden.

Morgen werde ich auf seine Beerdigung gehen.

Vor zwei Jahren kannte ich gerade einmal seinen Namen und wusste, dass er zu den wenigen Studenten hier gehört, die älter sind als ich. Ich weiß noch wie ich ihn fragte, ob er mein Mentor werden wolle. Er fragte, ob es etwas Akutes gebe über das ich sprechen wolle. Ich verneinte. Mir ging es gut. Aber man weiß ja nicht ob das so bleiben wird. Und wenn es mir dann mal schlecht geht, will ich vorbereitet sein. Ich will jemanden zum Reden haben und nicht erst dann anfangen mir jemanden zu suchen.

Es wirkt wie bittere Ironie. Jetzt wäre das erste Mal gewesen, dass ich jemanden gebraucht hätte.
Als ich die Todesnachricht am Samstag hörte, wollte mein Verstand nicht verstehen, was ihm eben mitgeteilt worden war. Ich ging zurück an meinem Arbeitsplatz in der Bibliothek. Dabei passierte ich den Tisch meines Mentors. Bücher und Laptop lagen dort. Es sah so aus, als ob er gerade kurz weg war um sich einen Kaffee zu gönnen. Ich verstand noch nicht, dass diese Bachelorthesis nie fertig werden würde. 

Auf den Schock am Samstag folgte Trauer am Sonntag. Ich traf mich am Morgen mit seinem Semester. Mein Verstand begriff noch immer nicht was geschehen war, aber mein Herz war überflutet von Trauer. Ich wusste, dass es nun richtig war mich dieser Trauer zu stellen und mich ihr hinzugeben. Ich würde mich dem stellen müssen. Am Mittag überlegte ich, ob ich meine Eltern oder Freunde anrufen sollte, um zu erzählen was geschehen war, um zu erzählen wie es mir ging. Allein bei dem Gedanken dies zu tun, brach mir die Stimme weg. Am Nachmittag wurde ich krank.
Als ich am Montag beim Arzt war, um mich krankschreiben zu lassen, musste ich aussprechen was geschehen war. Ich Es war wie ein erstes Eingeständnis, dass das, was ich gehört hatte, tatsächlich real war. Im Laufe der Woche folgten noch weitere Eingeständnisse dieser Art.
Wir trafen uns nun jeden Morgen um zu erzählen wie es uns geht und miteinander zu beten. Das tat gut und half.

Mittlerweile habe ich seinen Tod akzeptiert. Die Verarbeitung ist noch lange nicht vorbei, aber der Alltag hat mich wieder. Ich habe viel nachgedacht und mich selbst ein Stückchen besser kennengelernt. Ich werde noch lange an den 05.08.2017 und die darauffolgenden Tage denken.
Hätte ich vor zwei Jahren gewusst welche emotionalen Tiefen ich durch den Beginn dieser Freundschaft entdecken würde… ich hätte nicht anders gehandelt. Es war die Zeit wert.

Dinge die sich in mir verändert haben:
       -Ich habe keine Angst vor Beerdigungen mehr. So makaber es klingt. Ich freue mich darauf. Nicht weil ich froh bin, sondern weil ich mich verabschieden kann. Für diese Gelegenheit bin ich dankbar.
-          - Ich habe keine Berührungsängste mit Menschen in tiefer Trauer mehr – auch nicht, wenn es sich um Angehörige handelt.
-          - Ich fühle mich erneut bestärkt in der Priorität Familie vor Gemeinde.
-          - Ich habe einen neuen Vorsatz getroffen: Wenn ich einmal heiraten sollte, will ich mit meiner Frau darüber reden was passieren soll, wenn jemand von uns vorzeitig stirbt.

Bizarres: Ich spiele seit ein paar Monaten ein Onlinekartenspiel. Etwa alle 60 Spielstunden bekommt man eine von 16 Karten des höchsten Seltenheitsgrades. In besagter Woche habe ich solche eine Karte bekommen. Sie hatte den Namen „Tod“. Daraufhin habe ich das Spiel abgebrochen.

Dienstag, 6. Mai 2014

Zwischenbilanz

Es ist unglaublich wie die Zeit vergeht. In den letzten Jahren haben ich oft insgeheim davon geträumt an einen anderen Ort zu ziehen und nochmal neu anzufangen, einen eigenen Lebensstil zu entwickeln und "Projekte" zu beginnen die erst möglich werden wenn man nicht mehr zu Hause wohnt.
Im letzten September war es dann so weit und ich bin tatsächlich ausgezogen. Gerade mal 30 km von meinem ursprünglichen Wohnort entfernt habe ich Arbeit und eine Wohnung gefunden. Ursprünglich wollte ich noch weiter weg, aber im Nachhinein hat sich das als sehr gute Entfernung erwiesen.
Dafür habe ich das (vermutlich) einmalige Angebot abgelehnt in eine WG zu ziehen in die ich schon lange rein wollte.
Der Plan war bewusst einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, selbstständiger zu werden und zu der Version meiner selbst zu werden von der ich die letzten Jahren insgeheim geträumt habe.
Nach 2 bis 3 Jahren wollte ich dann entscheiden, ob ich wieder zurück in meine Heimatstadt ziehen möchte und wie es weitergehen soll.


Die meisten meiner Ideen für ein neues Leben bin ich angegangen. Der anfängliche Motivationschub meinen Leben Stück für Stück näher an mein Ideal zu bringen ist verloren gegangen und alle begonnenen Veränderungen an meinem Lebensstil haben sich mittlerweile wieder in Luft aufgelöst. Es ist ziemlich deprimierend das so zu schreiben, aber ich will der Wahrheit in die Augen schauen.

Durch das Leben alleine in einer fremden Stadt bin ich natürlich selbstständiger geworden. Aber auch hier kann ich ein dickes Haar in der Suppe finden. Das Leben in einer eigenen Wohnung unterscheidet sich eigentlich kaum von einer Woche Sturmfrei im Haus meiner Eltern. Damit bin ich auch vorher sehr gut zurechtgekommen und auch nach über einem halben Jahr fühlt es sich genauso an.
Auf meiner Arbeit sieht das schon ganz anders aus. Am Anfang habe ich mich sehr darauf konzentriert bloß keinen Fehler zu machen, weil diese sofort eine Menge Ärger mit sich bringen. (Hier haben die Wörter Schuld und Vergebung nochmal ganz neue Bedeutung für mich gewonnen. Ich habe mich noch NIE in einem so unbarmherzigen Umfeld bewegt). Diese Angst konnte ich mit der Zeit abbauen und ich lernte wie es ist, wenn einem Menschen (Vorgesetzte, Kollegen, Kunden, eigene Ansprüche) immer gleichgültiger werden. Eine charakterliche Entwicklung meinerseits die mir überhaupt nicht gefällt, aber wohl notwendig war um hier zu überleben.
Nun treffe ich (selbst-)ständig Entscheidungen aufgrund unzureichender Informationen, ohne Absprache aller Beteiligten und frage mich ob dies wirklich die Selbstständigkeit ist, die ich bei anderen Menschen so oft bewundert habe.

In vier Monaten endet mein Arbeitsvertrag. Wahrscheinlich wird er verlängert, aber mir stellt sich trotzdem die Frage wie es weitergehen soll. Da habe ich eigentlich nur eine leise Ahnung....

Eine Idee will das jedenfalls nicht nennen.



P.S. Das klingt jetzt sehr negativ, aber bevor sich jetzt jemand sorgt ich könne in eine Depression rutschen: Es sind auch viele, kleine gute Dinge passiert. Und aus den schlechten Dingen konnte ich auch etwas lernen. ;)




Dienstag, 29. Oktober 2013

kurzes update

Liebe Leser,
Meinung entsteht immer aus einem Kontext. - Der hat sich mittlerweile bei mir sehr verändert. Damit ich meine Gedankengänge besser einsortieren kann möchte ich kru aufzählen was in den letzten Monaten passiert ist:

Ich habe mein Studium mit viel Not, Elend und einer akzeptablen Note beendet. Parallel habe ich bei einem Glaubensgrundkurs mitgearbeitet. Danach hab ich zwei Wochen jemanden beim renovieren geholfen, drei Wochen Urlaub gemacht, eine Woche mein Zimmer entrümpelt, dann eine Bewerbung geschrieben und eine Woche später Bewerbungsgespräch, Jobzusage, Wohnungsbesichtigung, Mietvertrag und Umzug abgewickelt. Jetzt arbeite ich bereits seit über einem Monat in einer neuen Stadt.
Nach 8 Jahren Jugendleiter habe ich mit dieser Tätigkeit aufgehört, aber gleich ein neues Projekt gefunden in das ich alle meine Kreativität und Motivation hineinstecken kann.
Diese Jahr haben wir angefangen alle 3-4 Monate einen besonderen Godi meiner alten Gemeinde zu organisieren.Vorletzte Woche hat der 3. Godi dieser Art stattgefunden.

Dienstag, 13. August 2013

Wahrheit

Jesus antwortete: »Ich bin der Weg, denn ich bin die Wahrheit und das Leben. Einen anderen Weg zum Vater gibt es nicht. Wenn ihr mich kennt, werdet ihr auch meinen Vater kennen. Schon jetzt kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.«
Johannes 14,6+7

Es wird wenig Bibelverse geben die dem heutigen Zeitgeist dermaßen auf die Füße treten. Ich glaube nicht, dass dies vor 2000 Jahren anders war, aber naja. Lasst mich über heute reden. In meinem letzten Beitrag habe ich bereits über "den Weg" geredet. Den Weg über Jesus zu Gott ohne Christentum und Kirche zu gehen scheint intellektuell machbar zu sein und stellt daher kaum noch eine nennenswerte Provokation dar. Bei der Wahrheit sieht das schon anders aus.
Ehrlich gesagt verstehe ich die Gleichung Wahrheit = Jesus (also eine Person) nicht ganz, weil Wahrheit ist für mich eine Bewertungskathegorie. Etwas stimmt, ist richtig oder eben wahr. Das ist der Gegensatz zu Lügen/Fehleinschätzungen/Halbwahrheiten oder realitätfernen Wahrnehmungen.
Man kann den Begriff "Wahrheit" in Vers 6 wohl auch mit "wahrhaftig" übersetzen. Jesus ist dermaßen wahrhaftig - was er sagt und tut ist so von Wahrhaftigkeit durchdrungen - dass er quasi Wahrheit mit seinem ganzen Wesen verkörpert. Dieses Gedankengang bekomme ich mit meinem Verstand geregelt und ich denke damit lässt sich auch arbeiten.*
Die Provokation liegt heutzutage vor allem darin, dass es so etwas wie Wahrheit im spirituellen Kontext überhaupt gibt. Dann auch noch zu behaupten man kenne diese Wahrheit, weiß (nicht glaubt) das sie richtig ist und daraus folgert, dass die anderen falsch liegen wirkt so unglaublich arrogant, abgehoben und dreist, dass viele schon schockiert sind, wenn sie mitbekommen, dass es Menschen gibt die solch eine Meinung vertreten.
Ich bin noch daran mich an diese Weltsicht, die eine Existenz von Wahrheit leugnet zu gewöhnen. Ich bin mit der Überzeugung groß geworden, dass es so etwas wie richtig und falsch gibt und der Mensch in der Lage ist beides voneinander zu unterscheiden. Natürlich werden dabei Fehler gemacht, aber das Konzept von richtig und falsch im spirituellen Kontext für ungültig zu erklären wirkt auf mich einfach nur.... dumm. Das irritiert mich sehr, weil ich die allerwenigsten Menschen die ich kenne als dumm bezeichnen würde. Vielleicht kann man dieses Phänomen damit erklären, dass sich diese Menschen bisher nur mit der Wahrheitsuche, nicht aber mit der Wahrheit - also Jesus - auseinandergesetzt haben und in Folge dessen auf andere Schlussfolgerungen kommen.






*Anmerkung: Ich will damit die angesprochene Gleichung nicht für ungültig erklären. Gott ist mit Sicherheit größer als mein Verstand, aber ich kann nur mit dem arbeiten was ich habe. Für mich bekommt Jesus eben durch diese Verse seinen etwas (im positiven Sinne) mysteriösen Zug.